Fachkräftemangel bis Qualitätsstandards: Einflussgrößen in der Rettungsdienstbedarfsplanung

Das System Rettungsdienst wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, die bei der rettungsdienstlichen Bedarfsplanung Berücksichtigung finden müssen.
Im ersten Teil der Reihe „Einflussgrößen in der Rettungsdienstbedarfsplanung“ wurden die Faktoren Altersstruktur, Bevölkerungsgröße, -dichte und -entwicklung, Digitalisierung, Ersthelfer*innen-Alarmierung, Einsatzaufkommen und -verteilung sowie das Einsatzmittel-Portfolio skizziert.
Im zweiten Teil folgen nun die Faktoren Fachkräftemangel, geografische Gegebenheiten, gesetzliche Vorgaben, infrastrukturelle Gegebenheiten, Kosten, medizinische Versorgungsinfrastruktur, technische Innovationen und Ausstattung sowie Qualitätsstandards und -parameter.
Fachkräftemangel
Der Bedarf an Fachkräften für die Sicherstellung der Leistungen des Rettungsdienstes steht u. a. unter dem Einfluss des demografischen Wandels und dem steigenden Einsatzaufkommen.
Damit verbunden ist eine Zunahme der physischen und psychischen Arbeitsbelastung, welche sich stellenweise in einer zunehmenden Personalfluktuation bemerkbar macht.
Die Bundesagentur für Arbeit listet die Berufe im Rettungsdienst bereits unter den Engpassberufen.
Ziele der rettungsdienstlichen Bedarfsplanung müssen also die Vermeidung einer Überbelastung der Mitarbeitenden im Rettungsdienst und der bedarfsgerechte Einsatz der wertvollen Personalressourcen sein.
Geografische Gegebenheiten
Der geografische Raum eines Rettungsdienstbereiches ist ebenfalls von Relevanz für die Bedarfsplanung. Zum einen können Einsatzstellen durch die geografischen Gegebenheiten besondere Anforderungen an Fahrzeuge und Material stellen.
In ländlich geprägten Regionen können die größeren Entfernungen zwischen den einzelnen Rettungswachen Maßnahmen zur Kompensation erfordern, wenn die Rettungswachenversorgungsbereiche einsatzbedingt über einen längeren Zeitraum über keine freien Rettungsmittelkapazitäten verfügen.
Zum anderen können durch Gebirge oder Gewässer besondere Anforderungen an das System Rettungsdienst bestehen, die eine Bedarfsplanung für die Berg- bzw. Wasserrettung erforderlich machen.
Gesetzliche Vorgaben
Die Gesetzgebungskompetenz für die Ausgestaltung des Rettungsdienstes obliegt in Deutschland den Bundesländern.
Dementsprechend werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die rettungsdienstliche Leistungserbringung in 16 Landesrettungsdienstgesetzen festgelegt, welche u. a. die Aufgaben des Rettungsdienstes, die verantwortliche Trägerschaft, Anforderungen an Personal, Einsatzmittel und die Standorte des Rettungsdienstes definieren.
Aufgrund der Zuständigkeit der Bundesländer bestehen in der Bundesrepublik Deutschland unterschiedliche gesetzliche Vorgaben, anhand derer die Leistungsfähigkeit des Rettungsdienstes gemessen wird.
Die Mehrheit der Landesrettungsdienstgesetze gibt ein maximales Eintreffzeitintervall für Einsätze der Notfallrettung vor (sog. Hilfsfrist), welche zu einem vorgegebenen prozentualen Erreichungsgrad einzuhalten ist.
Teilweise werden auch Vorgaben für das Eintreffzeitintervall für ein notarztbesetztes Rettungsmittel, für Fahrzeuge des Notfall- bzw. Akuttransports sowie des qualifizierten Krankentransports definiert.
Neben den Vorgaben der Landesrettungsdienstgesetze sind auch gesetzliche Vorgaben zur Arbeitssicherheit und zum Umweltschutz im Rahmen der rettungsdienstlichen Bedarfsplanung zu berücksichtigen.
Bei der Planung des Rettungsdienstes ist zu dem das im Sozialgesetzbuch V verankerte Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten, welches vorgibt, dass die Leistungen des Rettungsdienstes ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich gestaltet werden müssen.
Infrastrukturelle Gegebenheiten
Die rettungsdienstliche Leistungserbringung wird auch von verschiedenen infrastrukturellen Gegebenheiten beeinflusst.
Zum einen durch die Struktur an vorgehaltenen Standorten des Rettungsdienstes, die eine räumliche Abdeckung des Rettungsdienstbereiches innerhalb der Hilfsfrist ermöglichen soll.
Des Weiteren wird die Leistungsfähigkeit durch die Straßeninfrastruktur beeinflusst, welche die Rahmenbedingungen für Fahrgeschwindigkeiten sowie verkehrsbedingtes einfaches oder erschwertes Passieren des Individualverkehrs während der Einsatzfahrten vorgibt.
Die Straßenverhältnisse haben z. B. aber auch Auswirkungen auf Transportdauern.
Die infrastrukturellen Gegebenheiten innerhalb des rettungsdienstlichen Systems haben ebenso einen Einfluss auf die Leistungserbringung.
So führen baulich bedingte lange Wege in Rettungswachen zu einem verzögerten Ausrücken der Einsatzfahrzeuge, wodurch wiederum die Einhaltung der Hilfsfrist erschwert wird.
Zum Anderen hat das Arbeitsumfeld Rettungswache auch einen Einfluss auf die Zufriedenheit der sich dort in der einsatzfreien Zeit aufhaltenden Einsatzkräfte.
Kosten
In den vergangenen Jahren wurde von einem deutlichen Kostenanstieg für die Refinanzierung der Leistungen des Rettungsdienstes durch die Vertreter*innen der gesetzlichen Krankenversicherungen berichtet.
Bestandteile der Kosten für das System Rettungsdienst bilden Lohnkosten, Investitionen in Infrastruktur, Fuhrpark und Ausstattung sowie Kosten für den Unterhalt der Gebäude, Fahrzeuge und des Materials, ergänzt um Kosten für die kontinuierliche Aus- und Fortbildung des Personals.
Die Kosten des Rettungsdienstes werden dabei maßgeblich durch die Zahl der vorzuhaltenden Einsatzmittel und des für die Besetzung erforderlichen Personals beeinflusst, welche wiederum von der Nachfrage nach Leistungen des Rettungsdienstes, abgebildet durch das Einsatzaufkommen, abhängen.
Medizinische Versorgungsinfrastruktur
Die medizinische Versorgungsinfrastruktur eines Rettungsdienstbereiches stellt sowohl Einsatz- als auch Zielorte des Rettungsdienstes dar.
Die Verteilung der Krankenhäuser und die Kapazitäten zur Primärversorgung von Patient*innen haben einen direkten Einfluss auf Transport- und Verweildauern der Rettungsmittel an den Zielorten.
Dies wirken sich wiederum über die Einsatzdauer auf die Vorhaltung von Rettungsmitteln im Rettungsdienstbereich aus.
Des Weiteren wirken sich leicht verfügbare Angebote zur durchgehenden medizinischen Versorgung von nicht-lebensbedrohlich erkrankten Patienten, z. B. telemedizinische Angebote, aufsuchender Dienst durch die Kassenärztlichen Vereinigungen, entlastend auf die Nachfrage nach Einsätzen des Rettungsdienstes aus.
Technische Innovationen und Ausstattung
Die Ausstattung moderner Rettungsmittel wird zunehmend komplexer.
Neue Technologien erfordern eine intensivere Schulung und Fortbildung der Einsatzkräfte.
Dies führt zu einem steigenden Bedarf an strukturierten Aus- und Fortbildungsprogrammen, die in den Planungen berücksichtigt werden müssen.
Im Bereich der Leitstellen können moderne Systeme zur Einsatzkoordinierung die Effizienz des rettungsdienstlichen Systems erhöhen und die Präzision bei der Zuordnung der Nachfragen nach Leistungen des Gesundheitssystems in die richtige Versorgungsebene erhöhen.
Qualitätsstandards und -parameter
Verschiedene Qualitätskennzahlen wie die Hilfsfrist, die Eintreffdauer für notarztbesetzte Einsatzmittel, die Prähospitaldauer oder die Bediendauer im Krankentransport spiegeln die Leistungsfähigkeit des Rettungsdienstes wider.
Diese Parameter sind nicht nur Richtwerte, sondern auch Kriterien, an denen sich die Qualität des Systems messen lassen muss.
Des Weiteren wird die rettungsdienstliche Bedarfsplanung durch Normen beeinflusst, die einheitliche Qualitätsstandards für Rettungswachen und Einsatzmittel des Rettungsdienstes vorgeben.
Fazit
Das System Rettungsdienst wird von einer Vielzahl an Faktoren beeinflusst, die in Wechselwirkungsbeziehung zueinander stehen.
Um eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen des Rettungsdienstes zu erreichen, sollten die Faktoren bei der Bewertung der Leistungsfähigkeit des Rettungsdienstes und der rettungsdienstlichen Bedarfsplanung Berücksichtigung finden.