Festlegung von geeigneten Schutzzielen: Einfluss der Bebauung auf die Erkundungs- und Entwicklungszeit der Feuerwehr

Bild einer Feuerwehrabsperrung mit Absperrband

Gemäß den länderspezifischen Feuerwehrgesetzen sind die Gemeinden verpflichtet, eine Feuerwehr aufzustellen, auszurüsten und zu unterhalten. Diese Pflichtaufgabe wird meist dahingehend konkretisiert, dass die Feuerwehr den örtlichen Verhältnissen entsprechend leistungsfähig sein muss. Die Ermittlung der örtlichen Verhältnisse sowie die Analyse der Leistungsfähigkeit, unter anderem durch die Auswertung der Schutzziele, sind wesentliche Bestandteile eines Brandschutzbedarfsplans. Zumeist erfolgt jedoch die Festlegung der Schutzziele, sofern nicht durch die Feuerwehrgesetzen vorgegeben, ohne die Berücksichtigung eben dieser örtlichen Verhältnisse. Stattdessen erfolgt meist die Festlegung pauschaler Schutzziele für das gesamte Gemeindegebiet. Für das Land Nordrhein-Westfalen hat der Verband der Feuerwehren in NRW mit der Fachempfehlung „Brandschutzbedarfsplanung für kreisangehörige Kommunen ohne Berufsfeuerwehr“ eine Methode zur Differenzierung der Schutzziele veröffentlicht. Mit dem im Jahr 2023 veröffentlichten Beiblatt zu den Qualitätskriterien für die Bedarfsplanung von Feuerwehren in Städten hat die AGBF Bund erstmalig die Möglichkeit zur Differenzierung der bisher „starren“ Qualitätskriterien für Feuerwehren in Städten aufgezeigt.

Erkundungs- und Entwicklungszeit zur Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse

Entscheidend für den Einsatzerfolgt der Feuerwehr bei Brandeinsätzen ist das Wirksamwerden der Maßnahmen zur Menschenrettung beziehungsweise Brandbekämpfung. Mit der Auswertung einer Vielzahl an Einsätzen hat die AGBF Bund nachgewiesen, dass die Zeitspanne vom Eintreffen der Feuerwehr am Einsatzort bis zum Wirksamwerden dieser Maßnahmen maßgeblich von der Geschossigkeit des Gebäudes und der Art der Bebauung ist. Die Erkundungs- und Entwicklungszeit erfordert bei Gebäuden mit mehreren Obergeschossen und in geschlossener Bauweise wesentlich mehr Zeit in Anspruch nimmt als bei Gebäuden mit einer geringeren Anzahl an Obergeschossen und in offener Bauweise. Hieraus folgt, dass in Abhängigkeit der örtlichen Verhältnisse und um ein tatsächlich vergleichbares Schutzniveau im Betrachtungsgebiet zu erreichen, die Feuerwehr bei Gebäuden mit mehreren Obergeschossen und geschlossener Bauweise früher am Einsatzort eintreffen und mit der Erkundung und Entwicklung der Maßnahmen beginnen muss, als bei Gebäuden mit geringerer Anzahl an Obergeschossen und in offener Bauweise, da hier die Erkundungs- und Entwicklungszeit wesentlich geringer ausfällt und die Maßnahmen zur Menschenrettung beziehungsweise Brandbekämpfung schneller eingeleitet werden können.

Anwendung in der Brandschutzbedarfsplanung

Bei der Festlegung von Schutzzielen sind zwingend die örtlichen Verhältnisse und gleichermaßen die Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Das Beiblatt zu den Qualitätskriterien für die Bedarfsplanung von Feuerwehren bietet diese Möglichkeit, wenngleich die Anwendung der Methodik Fachexpertise im Bereich der Brandschutzbedarfsplanung, Data-Science und Geoinformationssystemen benötigt, um die örtliche Bebauung zu analysieren sowie für den Brandschutzbedarfsplan zu visualisieren. Die hierauf aufbauende Festlegung von geeigneten Schutzzielen kann dabei von einer mesoskopischen Differenzierung der Schutzziele für einzelne Stadtteile bis hin zur mikroskopischen Differenzierung der Schutzziele für ein jedes Einzelobjekt im Stadtgebiet erfolgen.

Das Beiblatt der AGBF Bund zu den Qualitätskriterien für die Bedarfsplanung von Feuerwehren ermöglicht die Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und löst sich vom pauschalen Szenario eines Wohnungsbrandes im Obergeschoss eines mehrgeschossigen Gebäudes mit einer Ausrücke- und Anfahrzeit von 8 Minuten, welches die Qualitätskriterien der AGBF Bund aus dem Jahr 2015 vorsahen. Für die Festlegung von geeigneten Schutzzielen anhand der örtlichen Verhältnisse und zur Erfüllung der Pflicht zur Unterhaltung einer den örtlichen Verhältnissen entsprechend leistungsfähigen Feuerwehr sind die Schutzziele nach dem Beiblatt AGBF als Qualitätsziel und zur Qualitätskontrolle festzulegen.

Fazit

Die Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse ist essenziell für die Festlegung geeigneter Schutzziele und eine leistungsfähige Feuerwehr. Das neue Beiblatt der AGBF Bund zu den Qualitätskriterien für die Bedarfsplanung von Feuerwehren bietet hierfür eine wegweisende Grundlage, da es die Differenzierung von Schutzzielen ermöglicht und sich von pauschalen Annahmen löst. Durch die Einbindung moderner Analysemethoden und gezielte Differenzierungen, die von Stadtteil- bis Objektebene reichen, können die Schutzziele individuell und bedarfsgerecht angepasst werden. Damit wird nicht nur die Effizienz der Feuerwehr gesteigert, sondern auch die Sicherheit der Bevölkerung nachhaltig verbessert. Dieses Vorgehen ist ein entscheidender Schritt hin zu einer zukunftsfähigen und ortsspezifisch ausgerichteten Brandschutzbedarfsplanung.